Klimawandel

Der Klimawandel wird zunehmend zu einem der bedeutendsten Risiken für Weltnaturerbestätten (IUCN). Die Weltnaturerbestätte Wattenmeer ist bereits direkt betroffen (z.B. durch steigende Temperaturen und vermehrte Niederschläge), aber auch indirekt (z.B. durch das Einbringen von südlichen Warmwasser-Spezies und eine zeitliche Verschiebung bei bestimmten Lebenszyklusereignissen, über die in den letzten Jahrzehnten berichtet wurde). Voraussagen für die Zukunft sind mit großen Unsicherheiten belastet und es ist unklar, wie sich projizierte Veränderungen bei Temperatur, Niederschlagsmustern, steigendem Meeresspiegel, Erosion und Sedimentation möglicherweise auf die Geomorphologie, die biologische Vielfalt und die Ökosystemdienstleistungen des Wattenmeers auswirken.

Der Klimawandel und ein erheblich angestiegener Meeresspiegel können sich ernstlich auf die Struktur, das Wirkungsgefüge und die charakteristische biologische Vielfalt des Ökosystems Wattenmeer auswirken - ebenso wie auf die Sicherheit der Bewohner der Region. Diese Auswirkungen themenübergreifend anzugehen ist eine der Hauptherausforderungen für die Trilaterale Wattenmeerzusammenarbeit (TWSC), insbesondere angesichts der Unsicherheiten bei der Vorhersage der klimawandelbedingten Auswirkungen.

Die ersten trilateralen Aktivitäten zum Klimawandel fanden bereits 1998 statt als die trilaterale Arbeitsgruppe zum Meeresschutz und Anstieg des Meeresspiegels (Coastal Protection and Sea Level Rise - CPSL) eingerichtet wurde, in der Experten des Küsten- und Naturschutzes und der Raumplanung fachlichen Input für die trilateralen Regierungskonferenzen erarbeiteten. 2011 übernahm die trilaterale Task Group Climate (TG-C) die Arbeit der CPSL.


 

Strategie zur Anpassung an den Klimawandel

Im Bereich Klimawandel konzentriert sich die trilaterale Arbeit gegenwärtig darauf, die Resilienz des Ökosystems Wattenmeer gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels zu stärken. Die Task Group Klima (TG-C) hat eine trilaterale Strategie zur Anpassung an den Klimawandel (Climate Change Adaptation Strategy - CCAS) mit sieben strategischen Zielen und Leitsätzen erarbeitet. Sie wurde auf der 12. Wattenmeer-Konferenz 2014 in Tondern in Dänemark verabschiedet und soll dazu beitragen die natürliche Widerstandskraft (Resilienz) des Ökosystems Wattenmeer zu stärken.

Die Klimaanpassungsstrategie - sieben strategische Ziele und Leitsätze

Natürliche Dynamik

Das Ökosystem Wattenmeer hat sich im Verlauf von Millionen Jahren immer wieder an Klimaänderungen angepasst. Die Resilienz des Wattenmeers gegenüber dem Klimawandel wird gestärkt, wenn dieser natürlichen Dynamik Raum zur Entfaltung gelassen und sie gegebenenfalls wieder hergestellt wird.

Interkonnektivität

Die Interkonnektivität von Habitaten ermöglicht es Arten und Lebensgemeinschaften den sich verlagernden klimatischen Bedingungen zu folgen und so ein Aussterben zu vermeiden und eine Anpassung der charakteristischen biologischen Vielfalt sicherzustellen.

Integration

Klimawandel ist ein Querschnittsthema, das einen integrierten Ansatz über Ländergrenzen und unterschiedliche Fachrichtungen hinweg erfordert.

Flexibilität

Zur Bewältigung von Unsicherheiten bei der Vorhersage ist ein flexibler Ansatz notwendig. Ein anpassungsfähiges Management ermöglicht es zeitnah auf neue Informationen zu aktuellen oder projizierten Änderungen zu reagieren.

Langfristiger Ansatz

Der Klimawandel und der beschleunigte Anstieg des Meeresspiegels sind langsam voranschreitende Prozesse, die einen langfristigen Managementansatz erfordern.

Ortsspezifischer Ansatz

Die Herausforderungen und optimalen Anpassungsstrategien können sich innerhalb des Wattenmeergebiets unterscheiden. Daher sind Zusammenarbeit und ein Austausch über die besten ortsspezifischen Lösungen erforderlich.

Beteiligung

Die aktive Einbeziehung möglichst vieler Akteure sollte zu einem Bewusstsein für die Herausforderungen des Klimawandels und einer Akzeptanz der Anpassungsmaßnahmen führen.

 

Die Umsetzung der Strategie wurde 2017 im Monitoringbericht zur Klimaanpassungsstrategie (CCAS) bewertet. Die sieben Prinzipien im Rahmen einer ganzen Reihe von Projekten und politischen Maßnahmen im trilateralen Wattenmeergebiet angwendet. Die Task Group Klima (TG-C) empfiehlt, dass das Monitoring der trilateralen Klimaanpassungsstrategie fortgesetzt und die Ergebnisse in langfristige trilaterale klimapolitische Maßnahmen integriert werden. Außerdem sollte der trilaterale Austausch darüber angeregt werden, welche Vorgehensweisen sich am besten für eine Anpassung an den Klimawandel eignen.


 

Küstenschutz und das Konzept Building with Nature

Die Auswirkungen des Klimawandels im Wattenmeer stehen in engem Zusammenhang mit den Themen Küstenschutz und Raumplanung, da Hochwasser und Küstenerosion bedingt durch den Anstieg des Meeresspiegels und durch Sturmfluten eine bedeutende Gefahr für das Leben der Bewohner im Wattenmeergebiet darstellt und das Risiko erheblicher wirtschaftlicher Schäden dort birgt. In der Wattenmeerregion leben rund 3,5 Mio. Menschen, die auf ein wirksames und verlässliches Risikomanagement an der Küste angewiesen sind (CPSL, 2010). Managementpläne und -projekte müssen die Unsicherheiten in Bezug auf das Ausmaß des Klimawandels und wie das hochkomplexe Wattenmeersystem darauf reagiert mit einberechnen. Traditionellerweise werden Infrastrukturbauten mit harter Oberfläche wie Betondämme oder Deiche, die mit Steinen abgedeckt sind, zum Hochwasserschutz eingesetzt. Auch wenn Sicherheit der Menschen und die wirtschaftliche Funktionsfähigkeit in jedem Fall gewährleistet sein müssen, sollte bei Maßnahmen zum Risikomanagement an der Küste auch der Wert der Landschaft und der Natur berücksichtigt werden. Ein angepasster Hochwasserschutz und eine Kombination aus Risikomanagement und Naturschutz entlang der Küste gewinnt immer mehr an Bedeutung. Damit einhergehend entstehen neue Konzepte des Öko-Engineerings. Building with Nature (BwN) ist solch ein neues komplementäres Konzept, bei dem natürliche Prozesse genutzt werden, um einen Schutz vor Küstenerosion und Hochwasser zu gewährleisten. Mensch und Natur können von diesen Lösungen profitieren.

Das Projekt des INTERREG-Nordseeprogramms „Building with Nature“ stellt derzeit länderübergreifend eine gesicherte Faktenbasis darüber zusammen, wie die Wirksamkeit derartiger Lösungen optimiert werden kann. In diesem auf die gesamte Nordseeregion zugeschnittenen Projekt arbeiten Partner aus Belgien, Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen, Schottland und Schweden gemeinsam auf das übergeordnete Ziel hin, die Küsten, Ästuare und Einzugsgebiete anpassungsfähiger und resilienter gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels zu machen. Zu den küstennahen Zielgebieten gehören Versuchsflächen für Sandaufspülungen an der Nordseeküste und den vorgelagerten Inseln des Wattenmeers in Dänemark, Deutschland und den Niederlanden sowie in Schweden. Sandaufspülungen sind im Grunde genommen eine Küstenschutzmaßnahme. Andererseits kann das Wattenmeer dadurch auch bei der Anpassung an den steigenden Meeresspiegel unterstützt werden, da die Aufspülungen die Sedimentverfügbarkeit in der Küstenzone verbessern.

Das Gemeinsames Wattenmeersekretariat (CWSS) ist Partner des Projekts Building with Nature und stellt den Wissensaustausch zwischen der trilateralen Task Group Klima (TG-C) und den Projektpartnern sicher. Ferner leistet es Unterstützung bei Workshops und Symposien, auf denen Erfahrungen und die besten Vorgehensweisen (Best Practices) bei verschiedenen BwN-Ansätzen ausgetauscht und bewertet werden. Zur Unterstützung einer gesicherten Faktengrundlage für die besten Vorgehensweisen bei Maßnahmen im Rahmen von Building with Nature aufzubauen, wurde eine Informationsplattform für Klimaanpassung im Wattenmeer (Wadden Sea Climate Change Adaptation Information Platform) entwickelt, die sich auf verschiedene Bereiche erstreckt, wie z.B. trilaterale Politik- und Managementvorhaben, beste Vorgehensweisen, Monitoring und Bewertung sowie kommunikations-und bildungspolitische Aktivitäten (politische und wissenschaftliche Berichte, Projektübersichten).